Bairische Sprache und Mundarten Chiemgau-Inn e.V.

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Von überaus großem Interesse begleitet war ein Abend mit dem Verein Bairische Sprache und Mundarten Chiemgau-Inn e.V. (BS) in der Zieglerwirtsstubn des Heimathauses Traunstein.Gustl Lex aus Grabenstätt erzählte zum Thema „Bsunderne Leit“ von Originalen, Sonderlingen und besonderen Leuten der Region.Dazu gab es auch eine besonders schöne Musik – Marina Plereiter aus Inzell spielte auf ihrer Harfe und erfreute ausserdem mit Gesang.

Marianne Plereiter und Gustl Lex

Zu Beginn spielte Marina Plereiter auf ihrer Harfe, BS-Vorstand Rudi Mörtl hieß die zahlreichen Besucher willkommen und ging kurz auf den Verein ein. Gustl Lex erzählte aus seinem Fundus über „Bsunderne Leit“ – Leute, die aus der Masse heraus stechen, sei es durch besonderen Wuchs, überragendes Geschick oder aussergewöhhnliches Talent. Erstes Beispiel war der um 1705 geborene Anton Adner aus Berchtesgaden – der Done oder Dane, wie man ihn genannt hatte, und weil er nicht groß gewachsen war, hatte man ihn auch den „Danei“ geheißen. Jedenfalls war er ein armer Wicht - ohne Eltern und ohne Geld aufgewachsen, mußte er sich durchs Leben schlagen. Aber er war ein fleißiger und schlauer Mann geworden und konnte sich mit Fleiß über Wasser halten. Er war Schnitzer, wie sein Vater, und fertigte bis ins hohe Alter seine Arbeiten, „Berchtolsgadner War“, die er noch als Hundertjähriger mit einer riesengroßen Kraxn zu Fuß selber über Land brachte. Denn wer seine War‘ selbst ausgetragen hatte, mußte keinen Zoll zahlen. Doch auch unterwegs ließ er seine Hände nicht ruhen, sondern strickte Strümpfe zum Verkauf, auf dem Weg nach München ein Paar, erzählte Gustl Lex. Des Dane asketische Lebensweise – was bleibt einem auch schon anderes über, wenn man kaum Geld hat – hat ihn sehr alt werden lassen. Als kurz vor Weihnachten 1817 König Maximilian nach Berchtesgaden kam, um die neue Soleleitung zu eröffnen, wurde dieser auf das kleine „Manndei“ im Alter von 112 Jahren aufmerksam. Er ließ sich dessen armes Leben schildern und nahm ihn daraufhin unter seine königliche Fürsorge. Er ließ ihn sogar auf Gründonnerstag mit einer bequemen Chaise nach München bringen, wo er künftig als einer der ältesten armen Männer des Landes als „Apostel“ an der Hoffußwaschung teilnehmen durfte. 1919 stieg der Greis aus Berchtesgaden bei der Gelegenheit sogar noch auf einen Turm der Frauenkirche - mit 113 Jahren! Anton Adner lebte seit 1817 hauptsächlich von einer Leibrente König Maximilians, der auch seine ärztliche Versorgung sicherstellte, eine Pflegefamilie für ihn engagierte und sich in rührender Weise um den alten Mann kümmerte. Als weiteres „bsunders Leit“ beschrieb Gustl Lex die tief religiöse Anna Maria Furtner aus Waizenreit bei Frasdorf, die von 1821 bis1884 auf ihrem heimatlichen Anwesen lebte. Über ihre Geburt war notiert: „Name: Maria; Geburt: Leicht, ohne Hebamm“. Sie war weitum bekannt als Wassertrinkerin von Frasdorf, weil sie mindestens fünfzig Jahre lang keine Speise zu sich genommen hatte, abgesehen von der Hostie der heiligen Kommunion, getrunken hatte sie nur ausgepreßten Birkensaft oder Wasser aus einer nahen natürlichen Quelle. Während der allgemeinen Essenszeiten soll sie sich in ihr Zimmer zurückgezogen haben, erzählte Gustl Lex. Sie soll keine Nahrung vertragen haben, da es sonst zu Erbrechen gekommen sei. Damalige Angaben berichten außerdem von einer Aversion Fremden gegenüber. Von 1823 bis zu ihrem Tode soll sie in der Pfarrei von Frasdorf gelebt haben. 1843 hat man sie fünf Wochen lang in einem Münchner Krankenhaus untersucht. Dort sei sie zunächst sehr streng in Quarantäne gehalten worden und an Gesichtsrotlauf erkrankt. Schließlich hatten die Ärzte festgestellt und bestätigt, dass ihre Angaben (die Angaben der Maria Furtner!!!) richtig waren und keinerlei Betrug vorliege. Am 9. Mai habe man sie aus dem Krankenhaus entlassen: Aber man stelle sich vor, sie, die ihrer Lebtag nichts anderes gesehen hatte als ihre schattige Heimat bei Frasdorf, stand plötzlich mutterseelenallein und mittellos in München und hatte zu schauen, wie sie wieder heimkommt. Kurz vor ihrem Tod 1884 hatte sie plötzlich nach 52 Jahren das Verlangen, etwas zu essen. Am 4. November 1884 ist sie friedlich eingeschlafen, Todesursache mag wohl ein gewisses Zehrfieber gewesen sein. Nach ihrem Tod ist das Anwesen zu einer heute nicht mehr begehbaren Ruine verfallen. Recht aufmerksam verfolgten die Zuhörer auch die Geschichte des Irlmaier Alois, der um 1894 auf dem Brucktaler Hof in Scharam zur Welt kam. Er war ein Phänomen und konnte sogar ohne Wünschelrute sagen, wo es Wasser gab. Im Mai 1920 heiratete er seine Maria, sechs Jahre später brannte sein Hof ab und die Irlmaier-Leute standen vor dem absoluten Nichts. Nach gewissem Erfolg durch Brandbetteln baute der Irlmaier den Hof wieder auf, doch schon zwei Jahre später mußte sein Hab und Gut versteigert werden, er war auf die Gant gekommen. Dann kam er nach Freilassing und versuchte, als Brunnenbauer und Installateur sich und seine Familie zu erhalten. Der wohl tiefste Brunnen, den er baute, befindet sich in Obing und mißt 80 Meter Tiefe. Alois Irlmaier wurde zum Seher, der er eigentlich nicht sein wollte. Er kam zu keiner Arbeit mehr, weil er von sovielen Menschen aufgesucht wurde, denen er das Schicksal voraussagen sollte. Weil er kein Geld hatte, um etwas Bestimmtes zu bezahlen, mußte er einmal sogar ins Gefängnis. In den Jahren des 2. Weltkriegs kamen viele Frauen zu ihm, um zu erfahren, ob der Ehemann, Vater oder Bruder aus dem Krieg zurück kommt. Er hat Fliegerangriffe und andere Ereignisse vorausgesagt, einen Mord aufgeklärt und vieles mehr. Nach dem Krieg bekam er Redeverbot, machte aber trotzdem weiter, weil er eben niemand einen Wunsch abschlagen konnte. Eine Gerichtsverhandlung am Amtsgericht Laufen endete mit dem Ergebnis, dass er nicht als Gaukler bezeichnet werden kann. Er starb arm, wie er gelebt hatte, irgendwo an der Saalach in Freilassing. Zum Schluß wurde es nach all den geheimnisvollen Geschichten noch recht lustig bei den Erinnerungen an die Sauhandlerin Anna Spiegelsberger von Traunstein, die die Männerwelt burschikos und kräftig wie ein Mannsbild in die Schranken wies. Sie war bis Passau auf allen Viehmärkten bekannt für ihr Mundwerk und die Virginia-Zigarre. Sie hatte eine sehr erfolgreiche, aber ehrliche Handelsbegabung und war mit reichlich Irxenschmalz und Umgang mit dem Ochselfiesel gesegnet. Einst sagte sie zu den Bauern „I ghör zu euch und euer Geld zu mir!“ Ein anderes Mal gab es eine recht unterhaltsame lustige Verhandlung in Traunstein, bei der Anna Spiegelsberger eine wesentliche Rolle gespielt hat. Zum Abschluß meinte Gustl Lex, er habe die Geschichten, die er übrigens sehr zuverlässig recherchiert hatte, „damit diese Leute nicht vergessen werden, habe ich euch diese Geschichten erzählt“. Zwischendurch spielte Marina Plereiter mehrmals wunderbar auf ihrer Harfe und sang auch einige Male dazu, so etwa das Lied von Karl Valentin vom „Russischen Salat“, dazu brauche man unglaublich viele Zutaten, unter anderem kleingeschnittene Schuhsohlen, Zibeben, eine Soße vom Rehragout, Bohnerwachs und Erbsen und man rühre das Ganze mit einem Kochlöffel um. Wer‘s mag! Auch das Lied „Bist aaa do?“ gab sie recht gekonnt zum Besten; während sie dieses sang, krachten die Salutschüsse der Gebirgsschützen, die nebenan in der Stadtpfarrkirche Traunstein ihren Sebastianigottesdienst feierten. Das Schießen veranlasste den Wirt zu dem treffenden Kommentar „Selbst die Gebirgsschützen haben dieses wunderbare Lied nicht verhindern können!“ Marina Plereiter, mittlerweile auch vom Wirtshaussingen in Söllhuben bekannt, erfreute die Zuhörer mit ihrem ausgesprochen hochqualitativen Harfenspiel und ihrer glockenhellen Stimme. Gustl Lex und Marina Plereiter bekamen immer wieder den verdienten Applaus. Rudi Mörtl freute sich in seinen Abschiedsworten, dass die Besucher so aufmerksam zugehört haben und sie nicht bereuen mußten, dass sie den Abend in der Zieglerwirtsstube dem Kontrastprogramm Bayern-Fußballspiel und Trump-Vereidigung vorgezogen haben. Anbei ein Foto von Marina Plereiter und Gustl Lex.

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