Lieber Vian!

…. Ich habe mich sehr gefreut, die Sommerausgabe der Zeitschrift für „Bairische Sprache und Kultur“ zu erhalten. Ich danke Dir recht herzlich dafür, weil solche Zeitschriften literarische Kleinode sind, und es ist erfreulich zu wissen, daß man sich um die Mundarten und das Kulturgut kümmert. Man sollte sich auch um die schöne deutsche Sprache der Dichter und der Denker kümmern. Zur Zeit beginnt diese schöne alte Sprache zu verkümmern, weil das Englische sie wie ein Krebs unterwandert hat und die Anglizismen häufen sich und verdrängen die einzigartige deutsche Ausdrucksweise vom Platz. Für mich klingt das affektiert und prahlerisch, besonders wenn man versucht, die Aussprache der Hautevolee nachzuahmen. Das stellt die Nackenhaare auf! Die Artikel „Es war einmal…das Elsässische – Die Sprache zwischen Rhein und Vogesen“ fand ich sehr interessant, weil wir, die Waliser, gelitten haben wir müssen immer noch um den Erhalt unserer schönen Sprache kämpfen.

Walisisch ist keine Mundart, sondern eine eigenständige Sprache mit einer standardisierten Schriftsprache und einer gemeinsamen Literatur; und schon im sechsten Jahrhundert besteht der Beweis, daß diese Sprache schriftliche, dichterische Werke besaß.

Die Verfolgung der walisischen Sprache entstand, als Henry der Achte den Thron im sechzehnten Jahrhundert bestieg und Walisisch im staatlichen Bereich verbot. Von heute auf morgen hatte die Sprache ihren Stellenwert in der Gesellschaft verloren, aber neunzig Prozent der walisischen Bevölkerung war sich dessen nicht bewußt. Seine Tochter aber, Elisabeth die Erste, hat es erlaubt, die Bibel ins Walisische zu übersetzen, weil sie Angst hatte, daß die Waliser zu den Katholiken überlaufen würden, wenn sie keine Bibel in ihrer Muttersprache hätten. Ohne diesen Entschluss wäre die Sprache längst verschwunden, aber stattdessen wurde Walisisch als Schriftsprache gerettet, weil die Fundamente der Grammatik damals schriftlich gelegt wurden. Das war sehr wichtig, weil es von Dialekten wimmelte du die Sprache brauchte ein Vorbild, woran man sich wenden konnte. Im Laufe der Jahre haben die Engländer uns eingetrichtert, daß Walisisch minderwertig ist und auch heutzutage halten viele von ihnen Walisisch für eine Affensprache.

Im neunzehnten Jahrhundert wollten die Viktorianer das Bildungswesen in Wales unter die Lupe nehmen und schickten ihre Schulräte dort hin ohne walisische Sprachkenntnisse. Sie hatten den Auftrag, einen negativen Bericht zu schreiben und das taten sie mit Begeisterung. Die Waliser nannten diesen Bericht, der einen Sturm der Entrüstung auslöste, „Der Verrat der blauen Bände“ (BRAD Y LLFRAU GLEISION). Darin wurden die Waliser als primitiv und barbarisch abgestempelt und darüber hinaus unmoralisch, weil sie über keine richtige Sprache verfügten, und man sollte ihnen in den Schulen Englisch beibringen, um sie aus ihrer Dunkelheit zu holen. Von jetzt an war Walisisch in den Schulen verboten und der Unterricht war auf Englisch. Für die meisten Kinder, die Walisisch am Kamin sprachen, war Englisch eine Fremdsprache. Wenn sie Walisisch in der Schule oder auf dem Schulhof sprachen, wurden sie bestraft. Sie mußten ein Holzschild um den Hals tragen, darauf waren die Wörter: WELSH NOT geschrieben. An manchen Kaminen begannen die Eltern Englisch mit ihren Kindern zu sprechen, weil Englisch eine Weltsprache ist. Die Minderwertigkeitssamen wurden gesät und begannen zu gedeihen.

Die Übersetzung der Bibel ins Walisische war ein Riesenschritt bei der Rettung der walisischen Sprache. In der Vergangenheit waren die Waliser ein religiöses Volk, und die Kapellen und die Kirchen spielten eine Schlüsselrolle in ihrem Leben. Am Sonntag gingen sie dreimal in die Kapellen und in die Kirchen und lernten schreiben und lesen. Walisisch war die Sprache des Gottesdienstes und hier konnte sie ungehemmt florieren. Diese Anstalten waren Treffpunkte für allerlei Tätigkeiten. Bei der Untersuchung des Bildungswesens im neunzehnten Jahrhundert waren die meisten Waliser und Waliserinnen des Lesens und Schreibens kundig und das haben diese Schulräte wegen ihrer Unfähigkeit, Walisisch zu verstehen, übersehen. Die Besserwisserei und Arroganz solcher Leute ist unverzeihlich. Walisisch ist heute wieder eine amtliche Sprache. Die Nachfrage nach Schulen, wo man auf Walisisch unterrichtet werden kann, ist hoch, sowohl in den Grundschulen als auch in den Gesamtschulen. Die Sprache gewinnt neue Freunde jeden Tag, die Feinde aber lauern immer noch im Hintergrund. Wir verfügen über eine sehr reiche Literatur und die Dichtung ist für uns sehr wichtig, unser sprachliches und kulturelles Erbe.

Herzliche Grüße

John Perrett