„O heiliger Sankt Kastulus und unser liabe Frau, / ees werds uns do no kena, mia san vo da Holladau“, so beginnt das bekannte Hallertauer Schimmel-Lied, und dann folgt: „San fertn unser neine gwest, und heier san uns drei. / De andern san beim Schimme-stäin, Maria, steh ea bei!“ (gewesen, Schimmelstehlen, steh ihnen bei).

Prof. Dr. Ludwig ZehentnerBei Emerenz Meier lesen wir: „I kann mi net erinnern, daß heuer oder ferd oaner gstorbn waar.“ In beiden Beispielen erscheint fert(en) gepaart mit heuer, so dass man als Bedeutung erschließen kann: ‘im letzten Jahr, voriges Jahr’; vorfern ist ‘vorvoriges Jahr’. Als meine Tochter 2008 im Dorf Mukatschewo in der Karpaten- Ukraine die Familie besuchte, bei der sie bereits 2006 zu Gast war, hieß es zur Begrüßung: „Fertn hàts awa ned do gwen.“ Man hat den Dialekt der Vorfahren, die aus dem Bayerischen Wald um die Mitte des 19. Jahrhunderts dort eingewandert waren, weitgehend bewahrt.
Der oberdeutsche Wortstamm fern, firn ist in der Hochsprache vertreten mit Ferner und Firn (Gletscher, Altschnee), Kürzungen aus ferner, firner Schnee, d. h. eigentlich ‘vorjähriger Schnee’, jetzt im Sinne von ‘ewiger Schnee, Gletscher’. In der 1. Szene von Friedrich Schillers Schauspiel „Wilhelm Tell“ stehen die Verse: „… dumpf brüllt der Firn, /… / Und kalt her bläst es aus dem Wetterloch, / Der Sturm, ich mein, wird da sein, eh wirs denken.“ Die Fachsprache der Winzer kennt firner Wein als Ausdruck für ‘alten Wein’.
Das Wort heut(e) wird heid ausgesprochen (Umlautentrundung). Daneben existiert heid (mit deutlich nasaliertem Zwielaut) oder heind (mit gesprochenem n). Nur scheinbar handelt es sich dabei bloß um lautliche Spielarten. Es liegen zwei unterschiedliche Wörter vor: heut(e) geht zurück auf althochdeutsch hiutu, zusammengezogen aus der anzunehmenden alten Instrumentalis-Form hiu dagu mit der Bedeutung ‘an diesem Tag’. Altes hiu nahtu (‘in dieser Nacht’) hat sich zu neuhochdeutsch heunt entwickelt, bairisch heind, heid. Dass man früher nach Nächten zu zählen pflegte (vgl. englisch a fortnight ‘vierzehn Tage, zwei Wochen’), beweist die alte bairische Bezeichnung nàcht, vornàcht für ‘gestern, vorgestern’.
Ähnlich wie heut, heunt ist heuer gebildet. Althochdeutsch hiuro kann man zurückführen auf hiu jaru ‘in diesem Jahr’. Heuer ist vor allem im Süden Deutschlands geläufig; aus Österreich kennt man den Heurigen in der Bedeutung ‘Wein der jüngsten Lese’ und ‘Buschenschank’. Wer zum Heurigen geht, muss nicht ausschließlich Heurigen trinken.
Als „Strohwitwer“ schreibt Josef Hofmiller in einem Brief an seine Frau: „…, daß Du mir abgehst von der Früh bis auf die Nacht.“ Die Substantive Morgen und Abend kommen in der Mundart nur selten vor. Statt ‘morgens, am Morgen’ heißt es in der Früh, und statt ‘frühmorgens’ sagt man in aller (Herrgotts-) Früh – ausgesprochen Friah (mittelbairisch) bzw. Fräih (nordbairisch). Auch ohne Umlaut tritt das Wort auf als Fruah. Der verschmähte Hochzeiter, stellt dem Mädchen vor Augen, was ihr entgangen ist: „Hättst a Häuserl ghot und a Kuah / und a Millisupp in da Fruah“ (Wolfgang Johannes Bekh: „Reserl mit’m Beserl“).
Interessant ist, dass ‘morgen’ nicht selten in der Lautung moing begegnet (neben morng, moang, mong); als Begrüßung geläufig ist Guad Moing. Das oi lässt sich erklären über die um einen Sprossvokal erweiterte Form morigen, die über morign, moring zu moing führte. Ebenso entstand duich für ‘durch’ (über durich, was in manchen Gegenden als duri fortlebt). Guten Abend wünscht man sich nur in den Städten; ländliche Mundartsprecher verabschieden sich bereits am späteren Nachmittag mit Guad Nacht.
Gestern wird oft ausgesprochen als gesting, gestin, gesten – ein Beispiel für die Neigung, gewisse unbetonte Wortausgänge zu -ing werden zu lassen (in der Aussprache vereinfacht zu -in, - en): gestern > gesting; freilich > freiling; neulich > neiling oder neilings; vorhin > voring (was die Betonung auf der 1. Silbe voraussetzt, im Gegensatz zu norddeutsch vorhin). Auch bei Adjektiven auf -ig, -lich ist dieser Wandel zu beobachten: „a geistlinga Herr; a ganz an abscheilinga Loder, de lustinga Musikantn“ (‘ein geistlicher Herr; ein ganz abscheulicher Kerl, die lustigen Musikanten’). „In wos fiar an Grangahaus liegt a na, eppa bei de Barmherzinga (im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder)?“ Der Wortausgang -igen wandelt sich zu -ign, dieses wird assimiliert zu -ing (analog zur Assimilation in Fällen wie liegen > ling). Daran tritt zusätzlich die (dann gedoppelte) Flexionsendung -en, gesprochen -a, so dass geistlinga, abscheilinga, barmherzinga resultiert. Ob freding (neben fredi – Adverb im Sinn von ‘denn doch, ohne Zaudern, einfach’) ebenfalls in diese Reihe gehört, muss offen bleiben. Auf einer Familienfeier 2008 sang Sebastian Daller folgendes Gstanzl: „18 Johr san s scho beinanda, / ja i glaub freding, i spinn! / In dera Zeit san anda / scho viermol wieda gschien (= geschieden).“
Der Hang zum Wortausgang -ing hat zu manchen Ortsnamen geführt, bei welchen nicht das Zugehörigkeitssuffix -ing(en) vorliegt – wie etwa bei Geiselhöring (zum Personennamen Giselher; Erstbeleg aus dem 12. Jahrhundert: Gisilheringen; zu erschließende ahd. Ausgangsform: Gisilharingun ‘bei den zu einer Person namens Gisilhar gehörigen Leuten’) –, sondern altes -ern, -arn (Dativ Plural zu Nomina auf -er, mhd. -ære). Auf diese Weise entstanden die sogenannten „unechten“ -ing-Namen. Ein leicht durchschaubares Beispiel ist Heising. Der Ort hieß ursprünglich Heisern, was nichts anderes ist als ein Dativ Plural „(bei den) Häusern“ (Beleg von1416: Häwsern). Den Namen Dreifaltern, (Hohen-, Klein-) Bachern, Seebarn, Neufahrn entspricht im Dialekt Dreifoiting, Baching, Säiwing, Neifing, meist vereinfacht ausgesprochen als Dreifoiten, Bachen, Säiwen, Neifen.

Aus Ludwig Zehetner; Basst scho Bd. 2