Leserbrief aus Wales

Swansea, den 31. Juli

 

Lieber Vian

Ich habe mich sehr gefreut, deinen lieben Brief mit den beigefügten Zeitschriften (Anm. der Red.: Es handelt sich um die Zeitschrift „Bairische Sprache“) zu erhalten. Diese Zeitschriften sind Schatztruhen literarischer und sprachlicher Leckerbissen. Ich war aber ganz erstaunt zu lesen, daß ausgerechnet die Bayern um den Fortbestand ihres Dialekts bangen müssen. Das hätte ich nie gedacht, weil die Bayern sehr stolz auf ihre Identität sind.

Deutschland wimmelt von Dialekten, und diese sprachliche Vielfalt gibt der Sprache ihre besondere Farbe. Die deutsche Sprache wäre viel ärmer ohne sie, besonders Kölsch, Pfälzisch, Schwäbisch, berlinerisch Platt und selbstverständlich Bayrisch. Die Dialekte sind spontaner, kräftiger, witziger geschmeidiger und herzlicher. Die Eltern aber ziehen es vor, hochdeutsch mit ihren Kindern am Kamin zu sprechen. Hochdeutsch ist ihrer Meinung nach der Schlüssel, der verschiedene Türen öffnen kann und ermöglicht. Ihren Kindern ein erfolgreiches Leben zu führen. Die hochnäsigen Akademiker spielen in dieser Hinsicht eine große Rolle und beeinflussen die Wahl der Eltern. Thomas Mann in seinem berühmten Roman Buddenbrooks hat bayrisch als Bierdialekt abgetan. Hochdeutsch ist natürlich sehr wichtig, aber nicht auf Kosten der Mundarten, die allmählich verdrängt werden. In manchen Gegenden geht man heute in die Abendschule, um diese Mundarten zu lernen, weil sie einen Teil ihrer Identität, der ihnen zu Hause vorenthalten wurde, zurückgewinnen wollen. Das erinnert mich an das Schicksal der walisischen Sprache, weil viele Eltern sich geweigert haben, diese Sprache zu Hause zu sprechen. Sie wurden auch irre geführt und im Laufe der Zeit hat diese Einstellung verheerende Konsequenzen für das Überleben der einzigartigen keltischen Sprache mit sich gebracht. Die Kulturbanausen richten immer große Schäden an und ihre Dampfwalze rollt gedankenlos durch die Gegend. ….

Viele schöne Grüße John Perrott